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Sun Mu
Look at us

14.09. – 20.10.2019

Eröffnung: Freitag, 13.09.,19 Uhr

Gastvorträge: Samstag, 14.09., 14 und 16 Uhr
Filmvorführung: Sonntag, 22.09., 17:30 Uhr
Künstlergespräch: Mittwoch, 25.09., 19 Uhr
Lange Nacht: Samstag, 19.10., 19–02 Uhr


Sun Mu – geboren 1972 in Nordkorea – wurde in der dortigen Armee als Propagandamaler ausgebildet, später studierte er im Norden an einer Kunsthochschule. In der Zeit der schwerwiegenden Hungersnot der 1990er Jahre flüchtete er nach China und später über Thailand und Laos nach Südkorea. Seitdem lebt und arbeitet er als Maler in Seoul. Dort hat er ebenfalls als Zweitstudium visuelle Kunst studiert.

In seinem künstlerischen Werk beschäftigt er sich intensiv mit der Repräsentation und Darstellung beider koreanischer Staaten. Er setzt in seinen Gemälden immer wieder von neuem Propaganda und politische Bilder, die von beiden unterschiedlichen Systemen geschaffen werden, in überraschende Beziehungen. Deswegen ist er schon mehrmals in Südkorea zensiert worden und seine Bilder sind, legitimiert durch das Gesetz der Nationalen Sicherheit, sogar aus den Ausstellungsräumen der Busan Biennale 2008 entfernt worden.

Anstelle seines Geburtsnamens verwendet er aus Rücksicht auf seine Familie in Nordkorea ein Pseudonym und erlaubt keine Fotos seines Gesichts. Der Künstler bleibt somit gesichtslos. Durch das Verbergen seiner »alten« Identität und die Konstruktion einer »Neuen«, überträgt er ein gängiges Phänomen der virtuellen in die reale Welt. Sein Künstlername Sun Mu (nicht Linie) bedeutet »Ohne Grenze/Grenzenlosigkeit« und symbolisiert für ihn die Wiedervereinigung beider Koreas. Korea unterliegt heute noch immer dem Waffenstillstand, der nach dem Koreakrieg 1953 ausgerufen wurde. Es existiert kein Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea. Militärische Entscheidungen von Südkorea unterliegen der Einwilligung durch die USA.

Im Kunstraum München sind erstmalig seine Werke in einer Einzelausstellung außerhalb Südkoreas zu sehen. Wie der Ausstellungstitel »Look at us« andeutet, entschied er sich, die jüngsten Gipfeltreffen zwischen Nordkorea, Südkorea und den USA zu thematisieren. Die installative Gestaltung des Ausstellungshauses wird die Zwischenbeziehung, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Koreas und deren Abhängigkeit von den USA erfahrbar machen. Diese indirekte Erfahrung kann den Betrachter sensibilisieren, die Existenz und das Phänomen medial inszenierter Bilder über kulturelle und ideologische Systeme zu reflektieren.

Der Kurator und Künstler Jae-Hyun Yoo hat Sun Mu für einen Arbeitsaufenthalt nach München eingeladen um im Kunstraum die mehrheitlich hier entstandenen Werke zu zeigen. Sun Mus Malerei lehnt sich formal an die sog. Propagandabilder seiner Heimat an, bricht aber inhaltlich deren ideologische Botschaften und Themen. So dienen die Mittel der Überhöhung, des Personenkultes und verordnetes Kollektivglücks als Schablonen für eine politische Bildkunst, deren vermeintlich vertrauten Chiffren unter verkehrten Vorzeichen Sun Mus politische und gesellschaftliche Perspektive spiegeln, die auch und gerade Korruption, Demokratiedefizit und Machtmissbrauch in seiner neuen Heimat, im Westen allgemein befragen. Auf den ersten Blick wirken die Bilder wie eine Pop-Art-Variante von Propagandapostern der nordkoreanischen Arbeiterpartei, aber in seiner alten Heimat sind die Kunstwerke Kapitalverbrechen. »Das Gesicht des Großen Führers zu malen, ohne Genehmigung der Partei, das ist Gotteslästerung. Niemand darf das. Aber ich fordere diesen Gott heraus.«

Kuratiert von Jae-Hyun Yoo und Alexander Steig

Es erscheint exklusiv eine unikatäre Edition.


PROGRAMM

Samstag, 14.09., 14 Uhr
Vortrag: Prof. Dr. Du-Yul Song, »Globalisierte Ästhetik und Authentizität im Kontext der Wiedervereinigung Koreas«

Man denkt zuerst, es müsse in dem geteilten Land Korea auch die harten Frontlinien der ästhetischen Theorie und Praxis geben: Künste als Propagandamittel im Norden contra Autonomie der Künste im Süden, Provinzialität und Verschlossenheit der Künste im Norden contra Globalität und Offenheit der Künste im Süden usw. …

Wenn man aber die Entwicklung der Künste in den beiden Teilen des Landes näher betrachtet, findet man in erstaunlicher Weise viele Schnittmengen in der ästhetischen Theorie und Praxis. Vor allem spielt der Drang zur Globalität und zugleich zur Authentizität eine große Rolle, obwohl diese beiden Kategorien sowohl im Norden als auch im Süden in unterschiedlicher Weise artikuliert sind.

Anhand der Musikästhetik von Isang Yun (1917–95) und des Kryptogramms von Ung-No Lee (1904–89) versucht der Vortrag, einen neuen ästhetischen Horizont für Frieden und Versöhnung in einem geteilten Land zu eröffnen.

Du-Yul Song setzt sich für eine Verständigung und Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ein. Auf Grund des Nationalen Sicherheitsgesetzes wurde Herr Song im Jahre 2003 in Südkorea inhaftiert. Infolge weltweiter Proteste wurde er acht Monate später freigelassen. Du-Yul Song ist Soziologe und emeritierter Professor der Universität Münster. 1993 wurde er in Deutschland eingebürgert, bis dahin war er südkoreanischer Staatsbürger. Er promovierte bei Jürgen Habermas.

Samstag, 14.09., 16 Uhr
Vortrag: Prof. Dr. Vladimir Tikhonov (Pak Noja), »North Korea’s History and Visual Art« (Lecture in English)

North Korean visual art embodies in itself all the peculiarities of country’s historical experiences. It is distinguished, among many other things, by its technical and genre syncretism, often indicating the modern development of the pre-modern painting traditions in combination with European – often distinctively Eastern European – influences. Ideologically, the art is expected to serve the nation-building and popular enlightenment tasks; this instrumentalist approach harks back both to the Confucian vision of art as a tool of ethical cultivation and the modernist – both nationalist and socialist – conceptions of art at the service of mass mobilization. In his lecture, he will attempt to outline the interconnections between the syncretic characteristics of the North Korean art and North Korea’s tumultuous, multi layered history, in which the use of foreign (Chinese or Eastern European) models of non-capitalist post-colonial nation-building was combined with the anguished search for the autonomous, genuinely Korean cultural and political identity.

Vladimir Tikhonov wurde in der damaligen UdSSR geboren. Er promoviertean der Lomonossow-Universität in Moskau, arbeitete dann als Journalist und Historiker in Südkorea. Dort hat er die südkoreanische Staatsbürgerschaft und einen koreanischen Namen »Noja Pak« angenommen. Momentan lebt er in Norwegen und lehrt als Professor für Koreanistik an der Oslo Universität. Sein Interessenschwerpunkt ist die postkoloniale Geschichte Ostasiens.

Sonntag, 22.09., 17:30 Uhr
Filmvorführung: »I am Sun Mu«
Dokumentarfilm von Adam Sjöberg
2015, USA/China/South Korea, 80 min., kor. m. engl. U.
Werkstattkino, Fraunhoferstraße 9, 80469 München

Synopsis: Operating under a pseudonym, which means »no boundaries« – North Korean defector Sun Mu creates political pop art based on his life, homeland, and hope for a future united Korea. His hidden identity is nearly compromised when a massive historical exhibit in Beijing is shuttered by Chinese and North Korean authorities (IMDb). Followed by a discussion with the artist Sun Mu and curator Jae-Hyun Yoo.

Mittwoch, 25.09., 19 Uhr
Artist Talk: Sun Mu und Jae-Hyun Yoo
Der Kurator spricht mit dem Künstler über seinen Weg, sein Werk und die Geschichte beider Koreas.

Samstag, 19.10., 19–02 Uhr
Die Lange Nacht der Münchner Museen