Annika Kahrs
Playing to the Birds
13. Juni – 21. Juli 2013
Sonderöffnungszeiten
Donnerstag bis Sonntag, 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Der Kunstraum München feiert mit der Ausstellung ‚Annika Kahrs. Playing to the Birds’ gleichzeitig drei Debüts: es ist die erste Vorstellung der jungen Hamburger Künstlerin in München, ihre erste institutionelle Solo Show und die Premiere ihres neuen Films ‚Playing to the Birds’ (2013).
‚Playing to the birds’ zeigt eine Aufführung von Franz Liszts Klavierstück ‚Legende Nr. 1. Die Vogelpredigt des Franz von Assisi’, das von einem Pianisten gemäß der großbürgerlichen Tradition des musikalischen Salons zwar in einem feierlichen Saal gespielt wird, das Publikum besteht jedoch nicht aus Menschen, sondern aus Vögeln. Ihre Käfige befinden sich in einem sorgfältigen Arrangement im Raum, gleich der Anordnung eines Kindes, das seine Kuscheltiere auf dem Bett sortiert, um vor ihnen eine Ansprache zu halten. Liszts virtuoses Instrumentalstück erzählt in musikalischer Sprache die Geschichte, als der Heilige Franziskus zu den Vögeln predigte. Predigen meint eine moralisierende Art des Sprechens, unter Umständen den Versuch jemandem Verhaltensmuster oder Konventionen aufzudrängen – zumindest, wenn man an Religionsfundamentalisten oder die verlorenen Freikirchenanhänger in der Fußgängerzone denkt. Der heilige Franziskus jedenfalls fand Gehör bei der Vogelschar, gemahnte sie zu Ehrfurcht und Dankbarkeit. Ist das als ein Akt der Versöhnung des Menschen mit der Schöpfung oder vielmehr der religiösen Kultivierung zu verstehen? Vom medialen Aspekt her erinnern die langen Kameraeinstellungen in Kahrs Film an Tierdokumentationen; stille Beobachtungen in der Natur, der Mensch als unsichtbarer und rücksichtsvoller Voyeur der unberührten Natur. Inhaltlich jedoch ist das Gegenteil der Fall: man betrachtet die domestizierte Kreatur, den Singvogel im Goldenen Käfig, dem mit absurdem Aufwand ein abendländischer Kulturgenuss bereitet wird; kein Vogelkonzert, sondern ein Konzert für Vögel.
Klassische Musik spielt auch in Kahrs Film ‚Strings’ (2010) eine Rolle, der ebenso Teil der Ausstellung ist. Man sieht und hört darin ein Streichquartett, das Beethovens ‚Streichquartett Nr. 4, c-moll, op. 18, Nr. 4’ zum Besten gibt. Nach jeweils einem Satz tauschen die Musiker mit ihrem Sitznachbarn Platz und Instrument. Die strukturellen Verschiebungen, besonders das schrittweise Aufrücken des Cellisten auf den Sitz der ersten Geige, bewirken, dass das harmonische Spiel am Ende zur kläglichen und doch heiteren Katzenmusik degeneriert.
Daneben ist ein Film aus dem Jahr 2007 im Kunstraum München zu sehen: ‚études cliniques ou artistiques’. Dieser zeigt eine junge Frau, die in aufeinanderfolgenden Sequenzen verschiedene Stadien des sogenannten Großen hysterischen Anfalls nachstellt, ein Begriff und Krankheitsbild, das der französische Neurologe Jean-Martin Charcot Ende des 19. Jahrhunderts prägte. In der Pariser Klinik Salpêtière verwandte er Behandlungsmethoden, die bereits von Zeitgenossen kritisiert wurden: man veröffentlichte nicht nur die Äußerungen der Hysteriepatienten aus einem Zustand des Verbaldeliriums, sondern führte jene auch öffentlich vor – in den sogenannten leçons du mardi. Des Weiteren publizierte man von den unterschiedlichen Krampfzuständen Fotografien, die als authentische Zeugnisse der wissenschaftspolitischen Professionalisierung dienten. Heute zweifelt man an der Echtheit dieser Bilder.
Die Ausstellung wird gefördert durch Raum für Kunst e. V. (Hamburg), Finbridge GmbH & Co. KG und NBC UNIVERSAL Global Networks. Kuratiert von Sabine Weingartner. Anlässlich der Schau erscheint die Edition ‚Scratchings’ von Annika Kahrs, eine Serie von drei Drucken (Auflage je 3). Als Druckplatten dienten ausgediente U-Bahnfenster. Die von Vandalen eingeritzten Schriftzüge und Motive werden zum Bildmotiv. In Kürze alle Informationen unter Editionen auf www.kunstraum-muenchen.de.
Sonderöffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag, 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Annika Kahrs (*1984), die u. a. bei Andreas Slominski in Hamburg und Harun Farocki in Wien studierte, erhielt neben anderen Preisen und Stipendien 2011 den Hauptpreis beim 20. Bundeskunstwettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Sie hat bisher national und international ausgestellt, z. B. in der Hamburger Kunsthalle (2013), im KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2012), in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, am Goldsmiths, London (2011) oder in Maracaibo, Venezuela (2010).
Termine:
× Eröffnung: Mittwoch, 12. Juni 2013, 19 Uhr