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Jahresgaben

[Editionen 2009–2019]


14. – 22.12.2019

Eröffnung: Freitag, 13.12., 19 Uhr




Mit Arbeiten von Karo Akpokiere, Babi Badalov, Lieven de Boeck, Isaac Chong Wai, Leone Contini, Carmen Dobre-Hametner, forschungsgruppe_f, Christian Hanussek/Salifou Lindou, Hlynur Hallsson, Annika Kahrs, Matthias Lahme, Justin Lieberman, Juan Pablo Macías, Mahlergruppe, Philipp Messner, Agnes Meyer-Brandis, Astrid Nippoldt, Anton Petz, Jirka Pfahl, Rolf Poellet, Tanja Roscic, Arne Schmitt, Bernhard Schreiner, Fari Shams, Alexander Steig, Sun Mu, Oraib Toukan, Tim Wolff, Matthias Wollgast und Frauke Zabel.




Arne Schmitt

Zeichen der Zeit.
Zur Geschichte eines geschichtslosen Gebiets genannt Parkstadt Schwabing

31.10 – 08.12.2019

Eröffnung: Mittwoch, 30.10., 19 Uhr

Künstlergespräch mit Filmvorführung:
Freitag, 01.11., 19 Uhr
Mit Julia Hinderink und Arne Schmitt



Die Arbeiten von Arne Schmitt sind geprägt von einem puristischen und inhaltsbezogenen, konzeptuellen wie dokumentarischen Einsatz der Medien Fotografie, Video und Text. Dabei stehen die politischen, sozialen und historischen Implikationen von Architektur und Städtebau im Zentrum der Auseinandersetzung. In den letzten Jahren hat der in Köln lebende Künstler Ausstellungen in namhaften Institutionen sowie eine Reihe hochwertiger Bücher vorgelegt, die von einer stetigen und konsequenten künstlerischen Produktion zeugen.

Speziell für die Ausstellung im Kunstraum hat Arne Schmitt eine neue Arbeit in München entwickelt, die sich mit der »Parkstadt Schwabing« beschäftigt: ein etwa 40ha großes ehemaliges Industrieareal in relativ zentraler Lage Münchens, das seit Anfang der 2000er Jahre zu einem hochpreisigen Wohn- und Büroviertel umgebaut wurde und heute weitgehend fertiggestellt ist. Mit der Studie dieses Gebietes schließt er an mehrere Projekte an, die sich mit neoliberaler Architektur und Stadtplanung auseinandersetzen und deren Zustandekommen zwischen privaten Unternehmer*innen und Investor*innen und der öffentlichen Hand beleuchten.

Schmitt stieß auf das Thema der Parkstadt in der jüngeren Fotogeschichte: der Fotograf Joachim Brohm hatte mit seinem Langzeitprojekt »Areal« (1992–2002) einen modernen Klassiker der künstlerisch-dokumentarischen Fotografie vorgelegt, der sich in Hunderten von Bildern ausschließlich auf den Umbauprozess des Gebietes konzentrierte.

Der Künstler widmet sich in seiner Arbeit nun den Vorbedingungen dieses Umbaus: sowohl den politischen Kontexten zwischen Bauentwickler*innen, Investor*innen und Politikspitzen – als auch der wechselvollen Vorgeschichte jenes städtischen Gebiets, auf dem die Parkstadt entstand. Beides zusammen bildet den Prolog zu einer eigenen fotografischen Arbeit, die als zeichenhaftes Portrait des Stadtviertels zu lesen ist: Wie kleidet sich das Großkapital modern ein, in einer Traditionsstadt wie München, gleich in Nachbarschaft des angesagten Schwabings?

Arne Schmitt hat Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig sowie an der Hogeschool Sint Lukas in Brüssel studiert. Zu Schmitts wichtigsten Veröffentlichungen gehört das vieldiskutierte Buch »Wenn Gesinnung Form wird« (2012), eine fotografische Essaysammlung zur bundesdeutschen Nachkriegsarchitektur. Kürzlich erschien sein letztes Buch »Basalt« (2018), ebenso bei Spector Books. 2019 lief sein Film »Stadt-Gegenstadt« im deutschen Wettbewerb der Kurzfilmtage Oberhausen. 2018 gewann er den Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen. Arne Schmitt lebt und arbeitet in Köln.

Kuratiert von Dr. Patricia Druck

Zur Ausstellung erscheint eine Edition.


Die Ausstellung wird gefördert durch die Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung sowie Finbridge GmbH & Co KG.


Sun Mu
Look at us

14.09. – 20.10.2019

Eröffnung: Freitag, 13.09.,19 Uhr

Gastvorträge: Samstag, 14.09., 14 und 16 Uhr
Filmvorführung: Sonntag, 22.09., 17:30 Uhr
Künstlergespräch: Mittwoch, 25.09., 19 Uhr
Lange Nacht: Samstag, 19.10., 19–02 Uhr


Sun Mu – geboren 1972 in Nordkorea – wurde in der dortigen Armee als Propagandamaler ausgebildet, später studierte er im Norden an einer Kunsthochschule. In der Zeit der schwerwiegenden Hungersnot der 1990er Jahre flüchtete er nach China und später über Thailand und Laos nach Südkorea. Seitdem lebt und arbeitet er als Maler in Seoul. Dort hat er ebenfalls als Zweitstudium visuelle Kunst studiert.

In seinem künstlerischen Werk beschäftigt er sich intensiv mit der Repräsentation und Darstellung beider koreanischer Staaten. Er setzt in seinen Gemälden immer wieder von neuem Propaganda und politische Bilder, die von beiden unterschiedlichen Systemen geschaffen werden, in überraschende Beziehungen. Deswegen ist er schon mehrmals in Südkorea zensiert worden und seine Bilder sind, legitimiert durch das Gesetz der Nationalen Sicherheit, sogar aus den Ausstellungsräumen der Busan Biennale 2008 entfernt worden.

Anstelle seines Geburtsnamens verwendet er aus Rücksicht auf seine Familie in Nordkorea ein Pseudonym und erlaubt keine Fotos seines Gesichts. Der Künstler bleibt somit gesichtslos. Durch das Verbergen seiner »alten« Identität und die Konstruktion einer »Neuen«, überträgt er ein gängiges Phänomen der virtuellen in die reale Welt. Sein Künstlername Sun Mu (nicht Linie) bedeutet »Ohne Grenze/Grenzenlosigkeit« und symbolisiert für ihn die Wiedervereinigung beider Koreas. Korea unterliegt heute noch immer dem Waffenstillstand, der nach dem Koreakrieg 1953 ausgerufen wurde. Es existiert kein Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea. Militärische Entscheidungen von Südkorea unterliegen der Einwilligung durch die USA.

Im Kunstraum München sind erstmalig seine Werke in einer Einzelausstellung außerhalb Südkoreas zu sehen. Wie der Ausstellungstitel »Look at us« andeutet, entschied er sich, die jüngsten Gipfeltreffen zwischen Nordkorea, Südkorea und den USA zu thematisieren. Die installative Gestaltung des Ausstellungshauses wird die Zwischenbeziehung, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Koreas und deren Abhängigkeit von den USA erfahrbar machen. Diese indirekte Erfahrung kann den Betrachter sensibilisieren, die Existenz und das Phänomen medial inszenierter Bilder über kulturelle und ideologische Systeme zu reflektieren.

Der Kurator und Künstler Jae-Hyun Yoo hat Sun Mu für einen Arbeitsaufenthalt nach München eingeladen um im Kunstraum die mehrheitlich hier entstandenen Werke zu zeigen. Sun Mus Malerei lehnt sich formal an die sog. Propagandabilder seiner Heimat an, bricht aber inhaltlich deren ideologische Botschaften und Themen. So dienen die Mittel der Überhöhung, des Personenkultes und verordnetes Kollektivglücks als Schablonen für eine politische Bildkunst, deren vermeintlich vertrauten Chiffren unter verkehrten Vorzeichen Sun Mus politische und gesellschaftliche Perspektive spiegeln, die auch und gerade Korruption, Demokratiedefizit und Machtmissbrauch in seiner neuen Heimat, im Westen allgemein befragen. Auf den ersten Blick wirken die Bilder wie eine Pop-Art-Variante von Propagandapostern der nordkoreanischen Arbeiterpartei, aber in seiner alten Heimat sind die Kunstwerke Kapitalverbrechen. »Das Gesicht des Großen Führers zu malen, ohne Genehmigung der Partei, das ist Gotteslästerung. Niemand darf das. Aber ich fordere diesen Gott heraus.«

Kuratiert von Jae-Hyun Yoo und Alexander Steig

Es erscheint exklusiv eine unikatäre Edition.


PROGRAMM

Samstag, 14.09., 14 Uhr
Vortrag: Prof. Dr. Du-Yul Song, »Globalisierte Ästhetik und Authentizität im Kontext der Wiedervereinigung Koreas«

Man denkt zuerst, es müsse in dem geteilten Land Korea auch die harten Frontlinien der ästhetischen Theorie und Praxis geben: Künste als Propagandamittel im Norden contra Autonomie der Künste im Süden, Provinzialität und Verschlossenheit der Künste im Norden contra Globalität und Offenheit der Künste im Süden usw. …

Wenn man aber die Entwicklung der Künste in den beiden Teilen des Landes näher betrachtet, findet man in erstaunlicher Weise viele Schnittmengen in der ästhetischen Theorie und Praxis. Vor allem spielt der Drang zur Globalität und zugleich zur Authentizität eine große Rolle, obwohl diese beiden Kategorien sowohl im Norden als auch im Süden in unterschiedlicher Weise artikuliert sind.

Anhand der Musikästhetik von Isang Yun (1917–95) und des Kryptogramms von Ung-No Lee (1904–89) versucht der Vortrag, einen neuen ästhetischen Horizont für Frieden und Versöhnung in einem geteilten Land zu eröffnen.

Du-Yul Song setzt sich für eine Verständigung und Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ein. Auf Grund des Nationalen Sicherheitsgesetzes wurde Herr Song im Jahre 2003 in Südkorea inhaftiert. Infolge weltweiter Proteste wurde er acht Monate später freigelassen. Du-Yul Song ist Soziologe und emeritierter Professor der Universität Münster. 1993 wurde er in Deutschland eingebürgert, bis dahin war er südkoreanischer Staatsbürger. Er promovierte bei Jürgen Habermas.

Samstag, 14.09., 16 Uhr
Vortrag: Prof. Dr. Vladimir Tikhonov (Pak Noja), »North Korea’s History and Visual Art« (Lecture in English)

North Korean visual art embodies in itself all the peculiarities of country’s historical experiences. It is distinguished, among many other things, by its technical and genre syncretism, often indicating the modern development of the pre-modern painting traditions in combination with European – often distinctively Eastern European – influences. Ideologically, the art is expected to serve the nation-building and popular enlightenment tasks; this instrumentalist approach harks back both to the Confucian vision of art as a tool of ethical cultivation and the modernist – both nationalist and socialist – conceptions of art at the service of mass mobilization. In his lecture, he will attempt to outline the interconnections between the syncretic characteristics of the North Korean art and North Korea’s tumultuous, multi layered history, in which the use of foreign (Chinese or Eastern European) models of non-capitalist post-colonial nation-building was combined with the anguished search for the autonomous, genuinely Korean cultural and political identity.

Vladimir Tikhonov wurde in der damaligen UdSSR geboren. Er promoviertean der Lomonossow-Universität in Moskau, arbeitete dann als Journalist und Historiker in Südkorea. Dort hat er die südkoreanische Staatsbürgerschaft und einen koreanischen Namen »Noja Pak« angenommen. Momentan lebt er in Norwegen und lehrt als Professor für Koreanistik an der Oslo Universität. Sein Interessenschwerpunkt ist die postkoloniale Geschichte Ostasiens.

Sonntag, 22.09., 17:30 Uhr
Filmvorführung: »I am Sun Mu«
Dokumentarfilm von Adam Sjöberg
2015, USA/China/South Korea, 80 min., kor. m. engl. U.
Werkstattkino, Fraunhoferstraße 9, 80469 München

Synopsis: Operating under a pseudonym, which means »no boundaries« – North Korean defector Sun Mu creates political pop art based on his life, homeland, and hope for a future united Korea. His hidden identity is nearly compromised when a massive historical exhibit in Beijing is shuttered by Chinese and North Korean authorities (IMDb). Followed by a discussion with the artist Sun Mu and curator Jae-Hyun Yoo.

Mittwoch, 25.09., 19 Uhr
Artist Talk: Sun Mu und Jae-Hyun Yoo
Der Kurator spricht mit dem Künstler über seinen Weg, sein Werk und die Geschichte beider Koreas.

Samstag, 19.10., 19–02 Uhr
Die Lange Nacht der Münchner Museen






[Sommerresidenz]

Frauke Zabel

August 2019

Abschluss: Freitag, 30.08., 19 Uhr
»Realitätstheater – Rehearsal«


Wie schon in den letzten Jahren stellt der Kunstraum seine Räume KünstlerInnen im ausstellungsfreien August zur Verfügung. Die Kunstraum Sommerresidenz soll Platz bieten, um in aller Ruhe zu arbeiten oder zu proben.

Frauke Zabel ist Absolventin der AdbK München und hat sich in mehreren Auslandsaufenthalten mit der Geschichte und Politik Brasiliens auseinandergesetzt. Im Kunstraum wird sie die Performance »Realitätstheater – São Paulo/München« vorbereiten. Ergebnisse und Eindrücke dieses Rehearsals werden am Freitag, 20.08., um 19 Uhr im Kunstraum präsentiert.

Während der brasilianischen Militärdiktatur 1964 bis 1985 war das Theater der zentrale Ort des Widerstandes. Zabel untersucht die gesellschaftlichen Bedingungen der Unterdrückung und die ästhetischen wie politischen Strategien und Praktiken des damaligen Widerstandes. Kolonialismus, öffentlicher Raum in Zeiten der Repression, Illusionsraum Theater, die Arbeiten Augusto Boals – vielfältige Themen fließen in das Projekt ein. Darüber hinaus zieht sie Parallelen zur heutigen Situation in Brasilien, ohne dabei ihre eigene Rolle als europäische Beobachterin und Künstlerin zu unterschlagen, die in engem Austausch mit brasilianischen KünstlerInnen und AktivistInnen steht.

Uraufführung ist am 23. und 27. September im Neuen Rathaus.

[Gastprojekt]


EN PLEIN AIR 2019

Performance-Reihe im öffentlichen Raum

state of the wind
Lerato Shadi & Justin Randolph Thompson

Samstag, 20.7., 18 Uhr
München, Olympiapark

Treffpunkt gegenüber SEA LIFE (Aquarium)



Ein Gastprojekt des Kunstraum München in Kooperation mit der Villa Romana, Florenz

Bereits letzten Sommer hat der Kunstraum das Gastprojekt »EN PLEIN AIR« eine Reihe von Performances internationaler Künstler/innen präsentiert in deren Mittelpunkt die Interaktion mit Passanten stand.

Die Performances werden im naturnahen Stadtraum und in Parkanlagen inszeniert. Dem Publikum die Möglichkeit zu geben, in das Geschehen einzugreifen und es aktiv mitzugestalten, ist ein grundlegendes Element ihrer Performance-Praxis.

Die nächste in dieser Reihe fortgesetzte Performance wird wieder von unserem Vorstandsmitglied Emily Barsi kuratiert, diesmal in Zusammenarbeit mit der Leiterin der Villa Romana in Florenz, Angelika Stepken.

Die Performance-Reihe »EN PLEIN AIR« legt im Sommer 2019 den Fokus auf zwei KünstlerInnen, die sich mit den Konsequenzen weißer kolonialer Politik, Ökonomie und Geschichtsschreibung aus afrikanischer bzw. afroamerikanischer Perspektive beschäftigen: Lerato Shadi, Villa-Romana-Preisträgerin von 2018, und Justin Randolph Thompson.

Erstmals haben sich der in Florenz lebende afroamerikanische Künstler Justin Randolph Thompson und die in Berlin lebende südafrikanische Künstlerin Lerato Shadi zu einer gemeinsamen Performance verabredet. Die Arbeit von beiden ist geprägt von der Erfahrung der Blackness in Geschichte und Gegenwart.

Ihre gemeinsame Performance in München – »state of the wind« – ist eine vom Betrachter generierte Arbeit, die Präsenz als Protest und die Fragilität nationalistischen Eigentums in sich vereint. Ausgehend von der Geschichte der Olympischen Spiele und der Reibung zwischen Demonstration und Widerstand nutzt die Arbeit den hierarchischen Rahmen des Siegerpodests, um über soziale und spirituelle Höhen nachzudenken. Sound wird zu einem Marker bei der Performance oder Nicht-Performance der Künstler. Er ermöglicht eine Meditation über die Arbeit der Performance und die gesellschaftliche Hyperkontextualität des schwarzen Körpers.

Justin Randolph Thompson – Bildhauer, Medienkünstler und Musiker – untersucht die Bedeutung kultureller Relikte und deren Transformation durch Vertreibung und Diaspora. Mit seiner oft kollaborativen und interdisziplinären Praxis schafft er Plattformen und Gemeinschaften als temporäre Monumente. Mit hybriden, nicht-linearen Verbindungen zwischen Geschichte und Gegenwart untersucht er soziokulturelle Schichtenbildungen und hierarchische Organisation. Justin Randolph Thompson ist Mitgründer des »Black History Month Florence«.

In ihren Werken stellt Lerato Shadi, 1979 in Mahikeng, Südafrika geboren, die Jahrhunderte alte Geschichte von Gewalt, Verachtung und Entrechtung dar. Sie thematisiert in ihren Videos, Performances und Installationen den »Black Feminism«. Shadi lebt in Johannesburg und Berlin.

Kuratiert von Emily Barsi und Angelika Stepken

www.enpleinair.de


www.youtube.com/watch?v=ncf9v8UyxaA (screenshot)

Foto:@Silvia Cecchi

Fotos: @Silvia Cecchi

Otto Neurath. 5 Aktivierungen

06.06. – 28.07.2019

Otto Neurath ist heute vor allem für die Wiener Methode der Bildstatistik, die auch als Isotype bezeichnet wird, bekannt. Dass er ab März 1919 im postrevolutionären München als Leiter des Zentralwirtschaftsamtes die Vollsozialisierung Bayerns durchführen wollte, zählt hingegen zu den eher unbeachteten Aspekten seiner Vita. Der dokumentarische Teil der Ausstellung untersucht den Zusammenhang zwischen Planwirtschaft und Piktogramm, und widmet sich außerdem Neuraths Kontakten zu Künstlern der Revolutionszeit.

Zudem sind in 5 parallel stattfindenden, sich akkumulierenden »Aktivierungen« künstlerische Arbeiten zu sehen, die sich mit dem Werk Neuraths auseinandersetzen.

Aktivierung 1: Zur Utopie des Designs
Ausstellungsdisplay von Rasso Rottenfußer

Aktivierung 2: Zur Utopie des Diagrammatischen
Wandarbeit von Minna Henriksson

Aktivierung 3: Zur Utopie der Aufklärung
Harun Farocki: Zwischen zwei Kriegen

Aktivierung 4: Zur Utopie der Abstraktion
Gruppenausstellung

Aktivierung 5: Zur Utopie politischer Kunst
Studientag

Abstraktion und Gegenständlichkeit werden in der Kunst meist als oppositionelle Prinzipien aufgefasst. Die vierte Aktivierung der Ausstellung zu Otto Neurath versucht unter dem Titel »Zur Utopie der Abstraktion« zu zeigen, dass dieser Gegensatz zumindest für die Zeit um 1918/19 nicht greift, sondern dass das – gegenständliche – Piktogramm und das – abstrakte – Zeichen gleichberechtigt nebeneinander standen. Gegenständlich und abstrakt arbeitende Künstler und Künstlerinnen konnten sich (und dies nicht nur im postrevolutionären München) beide gleichermaßen in den Dienst des neuen sozialistischen Staates stellen, denn beide begriffen sich als politisch. Erst nach 1945 etablierte sich die Vorstellung von einer von direkten politischen Botschaften freien Abstraktion des freien Westens auf der einen und einer politisch gebundenen gegenständlichen Bildsprache des sozialistischen Realismus auf der anderen Seite.

»Gruppenausstellung« thematisiert diesen Aspekt einer gemeinsamen Gesellschaftsvision ebenso wie das Aufgehen des Künstlerindividuums in anonymer Bildproduktion.

Kuratiert von Daniela Stöppel und Studierenden des Instituts für Kunstgeschichte der LMU.


PROGRAMM

Samstag, 27.07., 10 – 17
Studientag: Aktivierung 5: Zur Utopie politischer Kunst

10.00 bis 10.45
Daniela
Stöppel: »Zur Utopie politischer Kunst. Otto Neurath als ›Gestalter‹?«

10.45 bis 11.30
Neven Denhauser: »Die Holzschnittmappe ›Lebendige‹ von F. W. Seiwert, Angelika Hoerle, Anton Räderscheidt und Peter Abelen. Politische Kunst 1919 und die Verbindungen der Kölner Progressiven nach München«

11.30 bis 12.15
Rudolf Herz: »Wer lichtet wen ab? Und was macht er dann damit? Zur Porträtfotografie der Münchner Revolution 1918/19«

12.15 bis 13.30 Mittagspause

13.30 bis 14.15
Nisaar Ulama: »Metaphysik trennt, Bilder verbinden. Zur politischen Philosophie des Wiener Kreises«

14.15 bis 15.00
Berthold Reiß: »Das Besondere«

15.00 bis 15.15 Kaffeepause

15.15 bis 16.00
Lena Tilk: »Abstraktion und Gegenständlichkeit«

16.00 bis 16.30 Abschlussgespräch und Ausklang


Ausstellung und Katalog werden gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Herzog Franz von Bayern, den Freundeskreis des Instituts für Kunstgeschichte der LMU, dem Department Kunstwissenschaften der LMU und deepblue exposervice GmbH.


SUPPLICA PER UN'APPENDICE
Ketty La Rocca, Jeewi Lee, Anna Möller, Lerato Shadi, Eske Schlüters

11.04. – 12.05.2019

Eröffnung: Mittwoch, 10.04., 19 Uhr

Appendice per una supplica, 1971
Emulgierte Leinwand, 61 × 9,7 cm


Eine Kooperation des Kunstraum München und der Villa Romana, Florenz

1972 zeigte die Künstlerin Ketty La Rocca auf der Biennale in Venedig den tonlosen schwarz-weißen Videofilm »Appendice per una supplica« (Anhang für eine Bittschrift): er zeigt Hände in einfachen Gesten, ausgestreckt, ineinander greifend, als Faust, umzingelt von anderen Händen, die Finger abzählend.

40 Jahre später widmete das Künstlerhaus Villa Romana in Florenz die Ausstellung »Supplica per un’appendice« Ketty La Rocca und zeigte ihre Arbeiten gemeinsam mit solchen junger zeitgenössischer KünstlerInnen. Die 1976 in Florenz verstorbene Ketty La Rocca ist bis heute ein »artists’ artist«. Ihr Oeuvre, das in der kurzen Zeitspanne zwischen 1964 und 1976 entstand, wurde posthum kaum umfassend rezipiert. Es umfasst Collagen, Skulpturen, Fotografien, Videofilme, Performances, Zeichnungen und Texte und kreist stets um die Differenz von Zeichen und Körper, Aneignung und Übertragung, Macht und Widerstand in dem Verlangen nach einer »anderen« Sprache, die dem Nicht-Identischen Form gibt.

Im Kunstraum München zeigen sich ihre Werke nun in einem aktualisierten Kontext: vier Villa Romana-Preisträgerinnen aus den Jahren 2012 und 2018 widmen Ketty La Rocca Arbeiten. Aus unterschiedlichen Perspektiven zielen sie auf den Kern künstlerischer Produktivität: die Spanne zwischen Repräsentation und Kommunikation, Sprache und Körper, Identität und Abweichung.

Anna Möller (1980) operiert in ihrer künstlerischen Arbeit mit Strategien des Entzugs von Sichtbarkeit, mit körperlichen Gesten und Verstellungen. Eske Schlüters (1970) verschleift Leerstellen filmischer Narration, um die Differenz zwischen den Bildern als uneingenommene Zone zu evozieren. Jeewi Lee (1987) beschäftigt sich mit der Materialität von Spuren und ihrer Spannung zwischen Anwesendem und Abwesendem. In Lerato Shadi’s Arbeiten (1979) geht es um die, die keine Spuren hinterliessen, um ausgelöschte Lebenswege, um Black Feminism.

Anlässlich der Ausstellung werden zwei Publikationen zu Ketty La Rocca vorgestellt: Das von Anna Möller initiierte und gestaltete Buch »SUPPLICA PER UN’ APPENDICE« enthält – in unterschiedlichen deutschen Übersetzungen – Texte von Ketty La Rocca sowie Beiträge der Philosophin und Filmemacherin Eva Meyer und des Künstlers Josef Strau. Die 2018 von Angelika Stepken herausgegebene erste englischsprachige Monografie »you Ketty La Rocca works and writings 1964 – 1976« dokumentiert das künstlerische Gesamtwerk, enthält zahlreiche Texte Ketty La Rocca’s sowie Beiträge von Emi Fontana, Pier Luigi Tazzi und Angelika Stepken.

Ein Projekt von Angelika Stepken (Villa Romana, Florenz)

Kuratiert von Angelika Stepken und Emily Barsi

Wir danken The Ketty La Rocca Estate für die großzügige Kooperation.



Die Ausstellung wird gefördert von




[Buchmesse]

Super BOOKS
Haus der Kunst

10. – 11.05.2019

Philipp Messner
Darkness loves to hide

21.02. – 24.03.2019

Eröffnung: Mittwoch, 20.02., 19 Uhr

Künstlergespräch: Sonntag, 17.03., 15 Uhr
Mit Dr. Eva Kraus, Neues Museum Nürnberg



Unter dem Titel »Darkness loves to hide« inszeniert Philipp Messner für den Kunstraum München erstmalig eine Auswahl seiner Magnetarbeiten (Objekte und Bilder). Der Bildhauer sucht und nutzt die unterschiedlichsten Werkstoffe, um seine Fragen aber auch Feststellungen zu Themen wie dem Wandel des Individualitätsbegriffs zu Beginn des digitalen Zeitalters (Stichwort: Kontrolle), der menschengemachten Veränderung seiner Umwelt (Stichwort: Anthropozän) oder der Brüchigkeit politischer Systeme (Stichwort: Populismus) eine adäquate, meist abstrakte Form zu geben. Diese Form kann transitorisch und fluid sein, wie seine Arbeiten mit künstlichem und koloriertem Schnee zeigen, sie kann in feste Strukturen eindringen, wie seine Einfärbungsproben von Gips und Marmor erkennen lassen oder sie kann monochrom-morphologisch die Gestalt vertrauter Gegenstände überziehen, wie seine Werkgruppe der Magnetarbeiten seit 2008 verdeutlicht. Diese letzte Gruppe umfasst verschiedene Fundobjekte wie Äste, Steine, Kisten, Lampen, Papier usw., die mit einem magnetisierten Material umhüllt oder partiell bedeckt werden und auf die Eisenpulver aufgebracht wird. Durch die magnetische Kraft wird der Eisenstaub an das Trägerobjekt gebunden, wobei die Anordnung und Ausrichtung der Späne das Kraftfeld vornimmt.

Das Phänomen des Magnetismus selbst, der Effekt unsichtbarer Kräfte, wird von Messner genutzt, ohne den Reiz dieser Wirkweise zu strapazieren. So changieren die Skulpturen im Bereich des Ungefähren und werden zu etwas Neuem: Der mit Eisenpulver überzogene Holzscheit wird in einen dritten Zustand überführt und öffnet sich dadurch ganz unterschiedlichen Lesarten von Natur und Technik, vereint er doch materiell beides, ergänzt um die Handlung des Produzenten Messner, die dort endet, wo das Material seiner physikalischen
Bestimmung folgt.

Kuratiert von Alexander Steig

Zur Ausstellung erscheint eine Edition.



PODCAST Kunst & Radio

10.01. – 10.02.2019

Mathias R. Zausinger
Manuela Unverdorben
Annemarie Thiede
Valerie Tevere
Hemant Sreekumar
Sasker Scheerder
Tom Roe
Angel Nevarez
Lorenz Mayr
Mareike Maage
Tetsuo Kogawa
Galen Joseph-Hunter
free103point9
u.a.

Eröffnung: Mittwoch, 09.01., 19 Uhr

Performance: Mittwoch, 16.01., 19 Uhr
Mit Hemant Sreekumar (Bangalore)

Talk: Mittwoch, 23.01., 19 Uhr
Mit Diana McCarty (reboot_fm, Berlin)

Listening Circle: Mittwoch, 06.02., 19 Uhr



Veränderungen der Ästhetik der Medien werden zuerst im Radio sichtbar. Das mag überraschen, jedoch blieb im Schatten des Iconic Turns das älteste elektronische Massenmedium immer Pilotmedium einer medienpraktischen Theorie und empfindlicher Sensor für Veränderungen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden die bisherigen Formen des »German Hoerspiels« (Douglas Kahn) einer Revision durch die Märkte unterworfen: Der sogenannte Hörbuchmarkt, der Podcast-Markt und die Streamingdienste mit ihren Playlists verlangen nach einer Privatisierung.

So zeigt der Kunstraum ein ästhetisches Update
zur aktuellen, auch politischen Debatte über die Zukunft der Medien, nicht zuletzt der öffentlichen Rundfunk-Programme im deutschsprachigen Raum, deren gewohnte Formen des Akustischen neu verhandelt werden.

»Warum interessieren sich so viele Künstlerinnen und
Künstler seit neuem für Radio?«, fragt da die Berliner Radioaktivistin Diana McCarty. Im kritischen Reflex darauf präsentiert die Ausstellung künstlerische Verfahren, die sich den Kanonisierungs-versuchen im Medien- Mainstream bewusst entziehen.

Es werden nicht nur exemplarische Beispiele aus der New Yorker Szene, u.a. der transmission art, über die Klassiker der Radiokunst – zum Beispiel aus Japan – ausgestellt, die bis hin zu Fragen der politischen Organisation durch das Sonische reichen, sondern auch aktuelle Positionen junger Münchner Künstlerinnen und Künstler.

Kuratiert von Ralf Homann


Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und durch das Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan Bengaluru (Indien) im Rahmen der BangaloREsidency_expanded in Kooperation mit dem Artist-in-Residence Programm im Ebenböck-Haus und dem Künstler Ralf Homann (Experimental
Radio | Munich)